Erlebnisbericht aus dem Lager Bad Kreuznach

 

(Nach der Gefangennahme)...... wurden die Wehrmachtsgefangenen auf LKW's gepreßt und nach Kreuznach transportiert, Parteigefangene wurden abgesondert.

 

In der Hoffnung, jetzt in ein festes Lager zu kommen, sahen wir uns allerdings bitter enttäuscht, denn uns erwartete nur ein großes Feld, das hoch mit Stacheldraht umzäunt und von mehreren Doppelposten    sorgsam bewacht war. In der schon hereinbrechenden Dunkelheit sah man die Posten sich an den Wachtfeuern aufwärmen, während wir selbst versuchten, unsere von den bisherigen schlaflosen Nächten geschwächten Körper wachzuhalten, um nicht im Regen und der feuchten Kälte einzuschlafen und zu erkranken. Auf ebener Erde und uns dicht zusammendrängend, um uns gegenseitig zu erwärmen, verbrachten wir so halbschlafend, halbwachend und herumlaufend diese und die kommenden April- und Mainächte, sogar teilweise noch mit Schneestürmen, indem wir uns mit Büchsen in Erdlöcher einbuddelten, die für manchen von uns auch das Grab bedeuteten.

 

Zu essen und zu  trinken gab es während der Fahrt nach Kreuznach und am ersten Tag  dort nichts. Tagsüber mit Schmerzen und Sehnsucht auf die Essenverteilung wartend und nachts auf den kommenden Morgen, die wenigstens äußerlich ein bißchen wärmende Sonne und den innerlich wärmenden, Kaffee den wir uns mit unseren Konservendosenöfen selbst bereiteten und der uns nach durchwachter, feuchtkalter und oft regnerischer Nacht wie ein Göttertrunk mundete.

 

   Mit zerrissenen Stiefeln, einer zerfetzten Uniform und einem kalten Gummiregenmantel saß ich nachts oft auf einer Latrine zusammengekauert und ließ den Sturmregen vorüber ziehen. Mit den Füßen wagte ich kaum einen Schritt zu laufen, aus Angst, im Schlamm dieses aufgeweichten Bodens zu versinken oder meine Füße nicht mehr trocken zu bekommen.

 

   So zehrten diese Strapazen alle an einem Becher Kaffee, 5 Keksen, 2 Eßlöffel Hasch (Art Haschee) oder Corned Beef, 2 Eßlöffel Milchpulver, Haferflocken und ab und zu etwas Zucker oder Käsescheibchen als unsere tägliche Essensportion. Kein Wunder, daß sich die Krankheiten und Zusammenbrüche infolge vollkommener Erschöpfung häuften. Zur Krönung dieses Zustandes sah man auch Schwerkriegsversehrte mit Arm- und Beinamputationen und Blinde daherhumpeln, und andere mit nur steifen Gelenken, ferner Lazarettverwundete und alte Männer über 60 Jahre und Kinder unter 14 Jahre, denen es allen so erging genauso wie uns jüngeren und Gesünderen.

 

   So wirkte sich die „Großmut" unseres Siegers auf uns aus! Auf vorsichtige Anfragen wegen besserer Ernährung, die ein deutsches Lagerkommando an das amerikanische Oberkommando richtete, erhielten wir die immer gleichbleibende Antwort: „Ja, Transportschwierigkeiten; ihr seid doch selbst daran schuld, durch Eure Brückensprengungen und wahnsinnigen Zerstörungen, das Fehlen der Kohle für Eisenbahntransporte. Außerdem geht die Frontversorgung vor, aber es wird sicher besser; vorläufig müßt Ihr Euch halt noch gedulden und einteilen, wir wollen erst die Zivilbevölkerung unterstützen, usw.!" Die Wirklichkeit sah anders aus!

So geschah es, daß die deutsche Lagerleitung doppelte Verpflegung erhielt und sich hierdurch verpflichtet fühlte, nichts mehr zu sagen, was dem Amerikaner unangenehm sein könnte, um ihren besser verpflegten Posten mit allen Kräften zu erhalten.

 Und deshalb kamen immer mehr Menschen aus den einzelnen Lagern ins Lazarett oder auf den Friedhof oder sie ertranken im selbstgegrabenen Loch vor Schwäche. An unserem 'Catch' (Cage oder Käfig) wurden täglich etwa 30 Bahren vorbeigetragen. Dazu kamen noch die Kameraden, die bei der Unterhaltung über den Stacheldrahtzaun oder durch willkürliches Schießen in das vollbesetzte und dichtgedrängte Lager daran glauben mußten. So wurde ein deutscher Landser mit 5 bis 6 Schüssen niedergestreckt, auf der anderen Seite des doppelten Stacheldrahtzaunes eine deutsche Mutter mit ein oder zwei Kindern, die mit ihrem Gatten und Vater sprechen wollten. Dazu sei noch bemerkt, daß der Getötete bzw. Ermordete keines der zahlreichen Verbote übertreten hatte und bereits beim ersten Schuß niederfiel! Man hörte nur noch Verzweiflungsschreie und Jammern! Was nützte da die Bestrafung des Täters, sie erweckte keine Toten und gab der Familie den sorgenden Vater nicht zurück! Immerhin hatte sich durch diesen Fall sogar die deutsche Lagerleitung zu einer Meldung dieses Vorfalls hinreißen lassen!

So hungerten und darbten mindestens 90% schwer und litten unter den größten körperlichen und seelischen Strapazen, denn viele wußten seit Monaten nichts mehr von ihren Familien und von ihren Heimstätten, wohl aber, daß eine ungeheure Tonnenzahl von schweren Spreng- und fürchterlichen Brandbomben über ihrem Vaterland auf die Zivilbevölkerung heruntergeregnet waren. Von Frau und Kind fehlte seit der Gefangennahme jede Nachricht. Und was Bombenangriffe auf eine wehrlose Bevölkerung bedeuten, das wußte jeder Frontsoldat zur Genüge. Nicht umsonst kämpfte der deutsche Soldat so verbittert bis zur letzten Stunde! Vor seinen Augen erschienen im Geist die verbrannten Säuglinge an der Mutterbrust, die von herunterschlagenden Stein- und Schuttmassen zermalmten Gehirne seiner Kinder oder das qualvoll verzerrte Antlitz seiner erstickten Frau und Mutter seiner Kinder! All das hatte ich selbst erlebt nach einem Bombenangriff auf das völlig unbefestigte Darmstadt! Was wußten jene bedauernswerten Opfer dieses Terrors vom Krieg? Hatten sie den Krieg gewollt? Wer hatte den Luftkrieg 1940 begonnen und die Konzentrationslager 1896 eingeführt? .....

.........Ein bezeichnender Bericht aus dem Lager Kreuznach:

Eine Kolonne von Amputierten wurde aus einem anderen Teillager herübergebracht. Diese Menschen konnten dem amerikanischen Offizier nicht schnell genug durch den schlammigen Dreck am Tor kommen. Es gab eine Stauung. Dem Offizier gingen die Nerven durch, er stürzte sich wütend mit seiner Begleitmannschaft auf die armen Amputierten, die mit der blanken Waffe so geschlagen wurden, daß 16 Verletzte sich blutend m Boden wälzten und so aus den aufgeschlitzten Rucksäcken die letzte Habe entfiel, die nun überall herumlag. Der beschämendste Vorgang, den ich je erlebte.

Aus: Willi Griesheimer; Die Hölle der amerikanischen Kriegsgefangenschaft, Eigendruck

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